Die Geschichte des Zeppelinwagens 144
1906:
Während der Bayerischen Jubiläums-Landesausstellung wird eine elektrische Ausstellungsrundbahn durch das Gelände am Dutzendteich errichtet. Die 10 offenen Sommer-Triebwagen wurden von der MAN extra zu diesem Zweck gebaut. Nach dem Ende der Ausstellung erwirbt die Nürnberg-Fürther Straßenbahn die Wagen, verschrottet die Aufbauten und lagert die Drehgestelle und weitere Teile ein.
1909:
Auf Basis der vorhandenen Drehgestelle baut die MAN in Nürnberg 10 besonders geräumige Straßenbahnwagen. Mit einer Länge von 11 Meter waren sie die längsten Wagen ihrer Zeit in Nürnberg. Aufgrund ihres eleganten Aussehens und der abgerundeten Front erhalten sie den Beinamen "Zeppelinwagen" in Anlehnung an eines der Luftschiffe von Graf Zeppelin, das 1909 in Nürnberg auf der danach so benannten Zeppelinwiese eine Zwischenlandung machte.
1909-41:
Die Zeppelinwagen sind im Nürnberger Straßenbahnnetz im Einsatz. Aufgrund ihrer geringen Motorleistung werden sie meist ohne Anhänger eingesetzt. Ihre Stammlinie wird die Linie 6 durch die enge Sebalder Altstadt. Ab den 1930-Jahren kommen die Zeppelinwagen nur noch bei Bedarf zum Einsatz, vor allem im Rahmen des Massenverkehrs zu den jährlich in Nürnberg stattfindenden Reichsparteitagen bis 1938.
1941:
Das "Reichsleistungsgesetz" zwingt viele deutsche Verkehrsbetriebe, überzählige Straßenbahnwagen zu verkaufen. Die 10 "Zeppelinwagen" kommen zusammen mit zahlreichen Beiwagen in das durch die Deutschen besetzte Krakau. Andere Wagen kommen nach Kattowitz (Schlesien, heute Katowice) oder Posen (Schlesien, heute Poznań). Der Austausch mit den Verkehrsbetrieben in den von den Deutschen besetzten Gebieten ist wenig freundschaftlich, Ersatzteile werden zu hohen Preisen verkauft.
1950er Jahre:
Die Zeppelinwagen werden auf allen Linien im Krakauer Streckennetz eingesetzt. Die schwachen Fahrmotoren werden durch Motoren englischer Fabrikate ersetzt. Die Wagen werden umgebaut, die Fenstereinteilung geändert, die Einstiege durch Schiebetüren verschlossen. Der Anstrich der Wagen wird auf blau-weiß geändert – den Hausfarben der MPK Kraków.
1970:
Der letzte "Zeppelinwagen" wird in Krakau außer Dienst gestellt. Der Wagen 89 (ehemals 144) wird zum Oberleitungsmontagewagen 1010. Dazu erhält er ein Stromerzeugungsaggregat im Inneren, um auch ohne Fahrleitung verwendet werden zu können. Das Dach wird zur Hälfte abgebrochen und eine Montagebühne wird installiert.
1976:
Ein Mitglied des Vereins der "Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e.V." reist durch Polen und "entdeckt" den Zeppelinwagen 144. Der Austausch mit der MPK Kraków beginnt. Das ehrgeizige Ziel: Der Zeppelinwagen soll wieder in seine alte Heimat zurückkehren – trotz des Eisernen Vorhangs und der damit verbundenen schwierigen Rahmenbedingungen. 1977 wird der "Zeppelinwagen" Gegenstand der politischen Diskussion.
1979:
Nürnberg und Krakau werden Partnerstädte. Der "Zeppelinwagen" hat daran einen wesentlichen Anteil. Er soll erstes gemeinsames Projekt der jungen Partnerschaft werden.
1982:
Der Wiederaufbau des Zeppelinwagens in den Werkstätten der MPK Kraków beginnt. Der Wagenkasten wird komplett neu erstellt. Vereinzelt reisen Nürnberger Delegationen nach Krakau, um den Wiederaufbau zu begleiten, doch die Kommunikation ist wegen der geschlossenen Grenzen sehr schwierig.
1984:
Der "Zeppelinwagen" 144 kehrt nach Nürnberg zurück und wird feierlich vorgestellt. Eine Zulassung für den historischen Fahrbetrieb erhält er nicht. Die gut gemeinte Ausstattung des Wagens mit elektrischen Komponenten aus polnischer Produktion genügt den Anforderungen der deutschen Behörden nicht. Er wird zentrales Exponat im 1985 gegründeten Hist. Straßenbahndepot St. Peter.
In Krakau beginnt dank des Zeppelinwagens ein Umdenken: Man besinnt sich der Geschichte der Straßenbahn und beginnt ebenfalls Wagen zu erhalten.
1989:
Bedingt durch den Ausbau der U-Bahn hat Nürnberg wieder Straßenbahnen übrig. Die engen Beziehungen zu Krakau werden genutzt und in den folgenden Jahren knapp 200 Straßenbahnwagen nach Krakau verkauft oder verschenkt, eine Geste, für die die Krakauer den Nürnbergern bis heute dankbar sind. Es entsteht ein reger Austausch auf Arbeitsebene und eine besondere, generationenübergreifende Freundschaft.
2009:
Die "Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e.V." und die MPK Kraków beginnen erneut, historische Straßenbahnwagen zu restaurieren. Die enge Freundschaft bleibt so erhalten, obwohl in Nürnberg keine älteren Straßenbahnwagen mehr zur Abgabe vorhanden sind.
2017:
Unsere Freunde in Krakau äußern erstmals den Wunsch, gemeinsam den "Zeppelinwagen" auch für Krakau wieder auferstehen zu lassen. Die Idee wird geboren, den bestehenden Wagen so zu ertüchtigen, dass am Ende zwei funktionsfähige Wagen – einer für Nürnberg und einer für Krakau – entstehen.
Bildergalerie "111 Jahre Zepplinwagen"